Die Qual der Wahl

Erststimme, Zweitstimme, Überhangmandate und jetzt auch noch die Ausgleichsmandate. Selbst der politisch interessierteste Bürger verliert bei der Komplexität den Durchblick und die Lust am Ankreuzen. Mit der Bundestagswahl 2013 wird erstmals ein neues Wahlrecht eingeführt, das für mehr Fairness sorgen soll.

Erst- und Zweitstimme

Reichstag - BesucherWie war das noch mal mit der Erst- und Zweitstimme? Kaum einer blickt da noch durch, gehörte politische Weltkunde doch eher zu den Schnarchfächern. Darum hier eine kleine und verständliche Auffrischung: Im Bundestag gibt es regulär 598 Sitzplätze zu vergeben. 299 der Plätze entfallen auf die Direktkandidaten, die als Sieger aus ihren Wahlkreisen hervorgehen. Mit der Erststimme entscheide ich also, welcher der Kandidaten meine Interessen am besten im Bundestag vertreten wird.

Was passiert mit der anderen Hälfte der Sitzplätze im Bundestag? Nun kommt die Zweitstimme ins Spiel. Sie bestimmt das Stärkeverhältnis der Parteien im Bundestag. Mit der Zweitstimme wähle ich also keine Person, sondern die Partei, die mich im Bundestag vertreten soll. Von der Anzahl der Zweitstimmen hängt die prozentuale Verteilung aller Mandate im Bundestag ab.

Überhangmandate und Ausgleichsmandate

Haushaltsdebatte im BundestagÜberhangmandate entstehen dann, wenn eine Partei mehr Direktmandate erhalten hat, als ihr nach dem proportionalen Verhältnis zu den abgegebenen Zweitstimmen zusteht. Die Verrechnung der Stimmen zwischen den Bundesländern ist kompliziert. Stark vereinfacht lässt sich jedoch sagen: Bekommt eine Partei weniger Zweitstimmen als Erststimmen, kann es zu Überhangmandaten kommen. Das sind also zusätzliche Direktkandidaten, die einen festen Platz im Bundestag erhalten. Mit ihnen erhöht sich die Anzahl der ursprünglichen Sitzplätze. Das alte Wahlsystem kam vor allem den großen Parteien zugute, was in der Vergangenheit häufiger zu unfairen Mehrheitsverhältnissen führte.

2723539Die Tatsache, dass eine geringere Anzahl von Zweitstimmen für eine Partei günstiger sein kann, wird als negatives Stimmrecht bezeichnet. Dieser paradoxe Effekt wurde von den meisten Parteien als unfair gesehen, weil er den eigentlichen Wählerwillen untergräbt. Das Bundesverfassungsgericht sah das genauso und erklärte das negative Stimmgewicht als verfassungswidrig. In einem langwierigen Prozess haben sich die Fraktionen der Union, SPD, FDP und der Grünen im Oktober 2012 auf das sogenannte Ausgleichsmodell geeinigt. Hierbei werden Überhangmandate durch sogenannte Ausgleichsmandate ausgeglichen. Das bedeutet: Kommt es bei der Bundestagswahl erneut zu Überhangmandaten, bekommen alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien so viele Ausgleichsmandate, bis das Verhältnis insgesamt wieder stimmt. Die Neuregelung hat zur Folge, dass der Bundestag künftig mehr Abgeordnete haben wird als die regulären 598 Sitzplätze. Ob das neue Wahlrecht tatsächlich für politische Ausgeglichenheit im Bundestag sorgen wird, bleibt abzuwarten.

 

 

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